Entdecken

AERA-Blog
Gesponsert
Gesponsert
Gesponsert

Versorgung dentoalveolärer Traumata von Sportlern vor Ort

Die angemessene Erstversorgung von Verletzungen im Bereich der Zähne und des Zahnhalteapparats ist von zentraler Bedeutung in der Sportzahnmedizin. Besonders bei traumatischen Ereignissen während sportlicher Wettkämpfe ist es wichtig, dass der betreuende Zahnarzt in der Lage ist, auch unter schwierigen Bedingungen schnell einen Überblick über die Situation zu gewinnen, eine korrekte Verdachtsdiagnose zu stellen, den Schweregrad der Verletzungen einzuschätzen und eine geeignete Notfallbehandlung einzuleiten. Oft hängt das weitere Schicksal der betroffenen dentoalveolären Strukturen von der Qualität der Erstbehandlung ab.

Während sportlicher Aktivitäten erleiden zwischen 10 und 70 % der Sportler orofaziale Verletzungen. Das Risiko variiert je nach Sportart, Spielniveau und dem Vorhandensein eines professionellen Zahnschutzes. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse ergab, dass das Gesamtrisiko für orofaziale Verletzungen mehr als doppelt so hoch war, wenn Sportler in den untersuchten Sportarten keinen Zahnschutz trugen. Im Falle einer Verletzung hängt die Prognose der betroffenen dentoalveolären Strukturen sowohl von der Schwere der Verletzung als auch von der durchgeführten Therapie ab. Für detaillierte Informationen zu Therapiekonzepten nach Zahntrauma wird auf die aktuellen Empfehlungen verschiedener nationaler und internationaler Fachgesellschaften verwiesen. Ein aktueller Beitrag konzentriert sich ausschließlich auf die Erstmaßnahmen, die vom Zahnarzt nach einem Zahntrauma ergriffen werden sollten. (Krastl G, Filippi A, Weiger R. Initial management of dental trauma: Musts, shoulds, and cans. Quint Int 2020,51(9):763-774)Anhand eines Stufenschemas kann entschieden werden, welche Maßnahmen unbedingt erforderlich sind, welche idealerweise durchgeführt werden sollten und welche, obwohl nicht von höchster Priorität, vorgezogen werden können, sofern Zeit, Fachwissen und Ausrüstung vorhanden sind. Die meisten dieser Maßnahmen setzen jedoch eine gut ausgestattete Praxis oder eine spezialisierte Einrichtung für Zahntrauma voraus. Bei Sportveranstaltungen am Unfallort ist diese Infrastruktur in der Regel stark eingeschränkt. Daher ist das Ziel dieses Beitrags, Empfehlungen für die zahnmedizinische Versorgung von Athleten mit dentoalveolären Verletzungen direkt am Unfallort zu präsentieren.

DIAGNOSTISCHE MASSNAHMEN UND DOKUMENTATION

Die vorrangige Aufgabe des Sportzahnarztes bei der primären Diagnosestellung besteht darin, ein Schädel-Hirn-Trauma auszuschließen. Dies sollte gegebenenfalls in Absprache mit dem behandelnden Allgemeinmediziner erfolgen. Zudem müssen Frakturen des Alveolarfortsatzes, des Unterkiefers, des Mittelgesichts sowie andere potenziell schwerwiegende nicht-dentogene Verletzungen ausgeschlossen werden. Es darf auch nicht vergessen werden, den Tetanus-Impfstatus des Patienten zu überprüfen. Falls es zu einer Avulsion (vollständige Herauslösung) eines Zahns gekommen ist, sollte der betroffene Zahn sofort in eine Zahnrettungsbox überführt werden, noch bevor weitere zahnmedizinische Diagnosen gestellt werden. Die zahnmedizinische Diagnostik beschränkt sich in einer Umgebung mit begrenzter Ausstattung und am Unfallort auf wesentliche Maßnahmen. Da eine radiologische Diagnosestellung nicht möglich ist, kann anhand der klinischen Untersuchung nur festgestellt werden, ob Zähne gebrochen oder verschoben sind und ob Verletzungen der (peri)oralen Weichteile vorliegen. Die Lage der Weichteilverletzungen kann Hinweise darauf geben, wo knöcherne oder zahnspezifische Verletzungen zu erwarten sind. Zum Beispiel kann eine Wunde unter dem Kinn auf einen Kieferbruch hinweisen. Bei Verdacht auf Knochenfrakturen sollte umgehend eine angemessene Behandlung in einer geeigneten Einrichtung eingeleitet werden. Zur Dokumentation der Befunde am Unfallort kann der Befundbogen der DGET/DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie / Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) verwendet werden. Es wird auch empfohlen, klinische Fotos (mit einem Smartphone ausreichend) vor Beginn der Erstversorgung anzufertigen, um sie zu dokumentieren. Gerade bei verschobenen Verletzungen liefern Fotos (sowohl von vorne als auch seitlich) wichtige Hinweise auf den Typ und Schweregrad der Verschiebung, die in der schriftlichen Dokumentation nur mit erheblichem Aufwand genau beschrieben werden können.

PRIMÄRVERSORGUNG AM UNFALLORT

Wenn ein Sportzahnarzt mit geeigneter Ausstattung direkt am Unfallort anwesend ist, können viele dentoalveoläre Verletzungen sofort notversorgt werden. Je nach Schweregrad des Traumas muss entschieden werden, ob die Behandlung vor Ort möglich ist und ob der verletzte Athlet möglicherweise weiterhin einsatzfähig ist. In einigen Fällen können komplexe und schwerwiegende Verletzungen jedoch eine sofortige Weiterbehandlung in einer spezialisierten Einrichtung erfordern. Diese Entscheidung sollte basierend auf einer umfassenden Beurteilung des Verletzungsumfangs und der individuellen Bedürfnisse des Patienten getroffen werden. Die Priorität liegt dabei stets auf der bestmöglichen Versorgung und der Sicherheit des Athleten.

PRIMÄRVERSORGUNG VON ZAHNFRAKTUREN AM UNFALLORT

Bei Zahnfrakturen am Unfallort liegt der Fokus nicht auf der Wiederherstellung der Ästhetik. Vorhandene Zahnfragmente sollten in Wasser gelagert werden, um sie später adhäsiv wieder zu befestigen. Allerdings müssen bei der Primärversorgung Maßnahmen ergriffen werden, um eine Infektion des Endodonts über eine freiliegende Pulpa oder offene Dentintubuli zu verhindern. Eine einfache und für kurze Zeiträume (1-2 Tage) ausreichende Maßnahme besteht darin, die Frakturoberfläche mit einem Calciumhydroxidzement abzudecken. Bei Kronen-Wurzel-Frakturen ist das koronale Kronenfragment in der Regel stark beweglich, aber noch palatinal an der Gingiva befestigt. Eine einfache Maßnahme besteht darin, das gelockerte Fragment mit einem "Flowable"-Komposit adhäsiv an den Nachbarzähnen zu befestigen bzw. zu schienen, was in den meisten Fällen zu Beschwerdefreiheit führt. Da diese Notfallmaßnahme jedoch nur eine begrenzte Haltbarkeit hat, sollte eine zeitnahe Weiterbehandlung - idealerweise am nächsten Tag - eingeleitet werden. Bei Wurzelfrakturen kann aufgrund fehlender radiologischer Diagnostik in der Regel nur ein gelockertes oder verschobenes koronales Fragment diagnostiziert werden. Die Notfallversorgung entspricht daher der Behandlung von Verschiebungsverletzungen.

PRIMÄRVERSORGUNG VON DISLOKATIONEN AM UNFALLORT

Zähne mit hoher Mobilität und dislozierte Zähne müssen zeitnah reponiert und geschient werden. In den letzten 20 Jahren hat sich in der zahnärztlichen Traumatologie der Titanium Trauma Splint (TTS)-Schiene der Firma Medartis, Basel, Schweiz, als Standard etabliert. Diese Schiene erfüllt alle Anforderungen, die an eine Traumaschiene gestellt werden. Sie kann schnell an den Zahnbogen angepasst und mit adhäsivem Flow befestigt werden, ist ausreichend flexibel und ermöglicht eine effektive Plaquekontrolle approximal und marginal an den verletzten Zähnen. Die Schienung unter Einbezug eines gesunden Nachbarzahns auf beiden Seiten des verletzten Zahns ist ausreichend. Wenn zu viel Zeit bis zur Erstversorgung verstreicht, kann ein verfestigtes Blutgerinnsel möglicherweise eine korrekte und schonende Reposition behindern. Daher ist eine Notfallversorgung am Unfallort sinnvoll. Bei lateralen Dislokationen und Intrusionen ist zusätzlich zur Verlagerung des Zahns auch von einer Fraktur von Teilen der knöchernen Alveole auszugehen. Wenn der verlagerte Zahn im Alveolarknochen verklemmt ist, muss er zunächst vorsichtig mit einer Extraktionszange gelöst werden. Nach der Reposition des Zahns sollten möglicherweise frakturierte Teile der knöchernen Alveole durch vorsichtigen Fingerdruck reponiert werden. Eine Weichgewebeversorgung kann ebenfalls erforderlich sein. Das vermutete Ausmaß der Pulpaverletzung am Apex bestimmt über das weitere Vorgehen. Wenn die unfallbedingte Verschiebung des Zahns aus seiner ursprünglichen Position mehr als 1 mm beträgt und das Wurzelwachstum abgeschlossen ist, ist von einer Abrissverletzung der Pulpa am Apex (Pulpanekrose) auszugehen. Eine Regeneration der Pulpa ist bei geringem Durchmesser des apikalen Foramens nach Abschluss des Wurzelwachstums nicht möglich, und es besteht die Gefahr einer Infektion des endodontischen Systems (über Dentintubuli), selbst wenn die Zahnkrone intakt ist. Daher sollte die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Wurzelkanalbehandlung am Unfalltag getroffen werden, auch wenn diese nicht unbedingt sofort eingeleitet werden muss.

PRIMARVERSORGUNG VON ZAHNAVULSIONEN AM UNFALLORT

Wenn ein avulsierter Zahn unmittelbar nach dem Unfall in eine Zahnrettungsbox gelegt wird (was man erwarten kann, wenn ein Sportzahnarzt am Unfallort anwesend ist), sind die Bedingungen für die parodontale Heilung des Zahns äußerst günstig. Die Replantation kann nach der Diagnose am Unfallort auch ohne weitere antiresorptive Behandlung der Wurzeloberfläche erfolgen. Vor der Replantation sollte das Blutgerinnsel entfernt und die Alveole gründlich mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden. Anschließend erfolgt die Inspektion der Alveole, um Hindernisse zu erkennen, die einer schonenden Replantation entgegenstehen könnten. Zum Beispiel kann eine Fraktur der (labialen) Alveolenwand eine vorsichtige Reposition unter Verwendung eines stumpfen Instruments erforderlich machen. Die Replantation selbst sollte langsam und mit geringem Druck erfolgen, um eine zusätzliche Schädigung des Wurzelzements zu vermeiden. Danach erfolgt die Schienung des Zahns.

PRIMÄRVERSORGUNG VON WEICHGEWEBSVERLETZUNGEN AM UNFALLORT

Rissverletzungen des Weichgewebes (Lazerationen) sollten, sofern die erforderliche Ausstattung am Unfallort vorhanden ist, versorgt werden. Es ist wichtig, Fremdkörper wie Schmutz, Sand, kleine Kieselsteine und Zahnfragmente zu entfernen und die Wunden gründlich zu spülen, um das Risiko von Wundinfektionen zu reduzieren. Anschließend erfolgt ein sorgfältiger Wundverschluss mit geeigneten, nicht resorbierbaren Nähten. Falls bei tiefen Defekten ein schichtweiser Wundverschluss mit resorbierbaren Nähten in den tieferen Gewebeschichten erforderlich ist, muss entschieden werden, ob eine adäquate Versorgung unter den gegebenen Bedingungen am Unfallort möglich ist. Zur zahnärztlichen Erstversorgung dentoalveolärer Verletzungen im Rahmen von Turnieren oder Wettkämpfen wird empfohlen, dass der betreuende Zahnarzt über einen Notfallkoffer verfügt. Folgende Ausstattung sollte in diesem Koffer enthalten sein:
• Latexfreie Handschuhe• Zahnrettungsbox
• Grundinstrumentarium (Spiegel, Sonde und Pinzette)
• Spülspritze und sterile isotone Kochsalzlösung
• Sterile Aufbisstupfer
• Watterollen und Wattepellets
• Okklusionsfolie
• Lokalanästhetikum und geeignetes Instrumentarium für die Anästhesie
• Kronenschere
• Titanium trauma splint (TTS)
• Flow-Komposit, Atzgel, Universaladhäsiv und Polymerisationslampe
• Calciumhydroxidzement
• Nahtmaterial und geeignete Instrumente für die Nahtversorgung
• Grazile Frontzahn-Extraktionszange
• Dokumentationsbogen
Mit dieser Ausstattung ist der Zahnarzt in der Lage, die erforderlichen Maßnahmen zur Erstversorgung dentoalveolärer Verletzungen durchzuführen und die entsprechenden Materialien und Instrumente zur Verfügung zu haben.

WEITERVERSORGUNG

Eine suboptimale oder zu spät eingeleitete Weiterbehandlung kann den Behandlungserfolg nach einer dentoalveolären Verletzung beeinträchtigen. Insbesondere bei schweren Dislokationsverletzungen mit einem hohen Risiko für infektionsbedingte externe Resorptionen, wie sie nach Intrusion und Avulsion auftreten können, ist es wichtig, die Wurzelkanalbehandlung innerhalb der ersten Tage einzuleiten. Um die richtige endodontische Therapieentscheidung zu treffen, ist der nachbehandelnde Zahnarzt auf die im Rahmen der Primärdiagnostik erfassten Befunde angewiesen, insbesondere auf Informationen zum Ausmaß der Dislokation. Fotos, die mit einem Smartphone aufgenommen wurden, können dabei hilfreich sein. Daher ist es die Aufgabe des Erstbehandlers, sicherzustellen, dass eine adäquate Weiterbehandlung erfolgt und dass die relevanten Informationen an den Patienten oder den nachbehandelnden Zahnarzt weitergegeben werden. Eine gute Kommunikation und Übermittlung der Befunde zwischen dem Erstbehandler und dem nachbehandelnden Zahnarzt ist entscheidend, um eine kontinuierliche und angemessene Versorgung des Patienten sicherzustellen und den Behandlungserfolg zu optimieren.
Die Veröffentlichung des Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Gesellschaft für Sport-Zahnmedizin:

Kontakt

Ihre Nachricht an uns

Fernwartung (Nach Absprache)

TeamViewer für WindowsTeamViewer für Mac

Sie haben bereits ein Konto

Show Password
Kennwort vergessen

Neu bei AERA-Online?

  • 1,8 Millionen Angebote
  • 350 Lieferanten
  • Direkter Preisvergleich
  • Überall sofort bestellen
Jetzt kostenlos registrieren